"Not", Öl auf Leinen, 145 x 130, 1958, Verz.Nr. 68 "Misery", oil on canvas, 145 x 130, 1958 Privatbesitz

Das im Jahre 1957 entstandene Ölgemälde mit dem Titel “Not” zeigt ein Arrangement teils von realen, teils von biblischen Figuren. Dieses Werk von Hans Wulz ist eine Collage von seinen tiefgreifenden persönlichen Eindrücken aus der Zeit der Entstehung dieses Gemäldes. Im Zentrum des Gemäldes befindet sich die Mutter mit dem Kind - die Mutter als die Gebärerin des Lebens. Das Motiv der stillenden Mutter hatte Hans Wulz während seiner frühen Schaffensphase in der Nachkriegszeit wiederholt gewählt und in einigen seiner figuralen Kompositionen dargestellt. 

 

Links von der Mutterfigur ist ein Junge mit geballten Fäusten zu sehen. Mit dieser Figur eines rebellierenden, von neuen westlichen Idealen beeinflußten Jugendlichen (eines sogenannten „Rock´n Rollers“) symbolisierte Hans Wulz die kulturelle Neuorientierung vor allem der jungen Menschen nach dem Kriege, weg von den alten Werten der unglückseligen politischen Vergangenheit, hin zu der neuen modernen Kultur des amerikanischen Westens. 

Am unteren linken Bildrand sind Hände dargestellt. Diese von Arthritis deformierten Hände waren jene einer sehr geschätzten und liebevollen Mutter der Nachbarsfamilie, Stephanie H., die trotz ihrer Behinderung mit großer Hingabe den Dienst an ihrer Familie erfüllte. 

Rechts ist die Heilige Veronika mit dem Schweißtuch Christi plaziert. Sie stellt als reale und historisch überlieferte Figur die Verbindung dar zum Transzendenten, dem Christus dar. Christus im Hintergrund des Gemäldes ist mitsamt seinen Wundmalen dargestellt, also nach seiner Auferstehung. 

In manch seinen symbolistischen figuralen Gemälden, wie auch in diesem, verwendet Hans Wulz das Symbols des auferstandenen Christus. Auf seine Weise zeigt er damit den Weg zum Besseren und zur Hoffnung auf das Gute auf. 

Schließlich ist in der Mitte des unteren Bildrandes noch ein Jungenkopf zu sehen. Dieser war ursprünglich, nach der Fertigstellung des Gemäldes noch nicht vorhanden. Hans Wulz liebte es, später bei einem oder anderem seiner Gemälde „Korrekturen“ beziehungsweise Übermalungen anzubringen. Es ist zu vermuten, daß mit dem Jungenkopf der jüngere Sohn Reinhard auf dem Gemälde verewigt worden ist als kleiner Kobold, der einiges an Schabernack im Atelier seines Vaters trieb. 

Die gemeinsame Darstellung von Realität und Transzendenz auf diesem Gemälde „Not“ mag das Ergebnis einer intensiven Beschäftigung mit der christlichen Lehre sein, als Hans Wulz im Jahre 1954 mit der Schaffung des großen Altarfreskos in der Judas-Thaddäus-Kirche in Wien-Döbling beauftragt wurde. Dieses von Hans Wulz entworfene und gestaltete Altarbild stellt die irdische und die himmlische Liturgie dar.